Wie es uns gefällt
Anti-Pop, Anti-Papst, Anti-Pasti...beim zeitgenössischen
Dagegenhalten all
der pseudointellektuellen neukulturären Antreiber respektive
Antitreiber
ist das Gegen den Strom schwimmen schon lange kein gegen den
Strom
schwimmen mehr. Heutzutage ist das Gegen den Strom schwimmen
ein im
Gegenstrom schwimmen. Der einstige Reizstrom aus Dagegen ist
längst ein
Populärstrom destruktivistischer Grundgedanken. Damals, als
alles so neu
war, sagen wir mal 1891 vielleicht, da waren Chicks und
Honks noch heilige
Tabus, Transen, Homos und Koprophagen waren die Leprakranken
der Gegenwart
und die Provokation war das Brandeisen für die vordergründig
biedere, im
Geheimen aber strikt verderbte Gesellschaft. Gab bestimmt
keinen König, der
sich nicht in den Po hat fingern lassen. Aber, Psssst, nicht
weitererzählen. Heute lockst Du damit keinen Drahtesel
hinter dem Ofen
hervor. Der Ofen ist mittlerweile der Erdwärmeanlage gewichen,
die
Nachtspeicherheizung ist das Auslaufmodell einer
zerfrosteten
Gesellschaftsepoche. Heute wird Öl und Gas verheizt, Solar
aufs Dach
gebrannt und unentwegt lässt sich das Leben bei
zweiunddreißig Grad im
Dauerüberfluss exerzieren. Man fragt sich langsam, wogegen
man eigentlich
noch sein soll. Die Smartphones sind eine Notwendigkeit, das
Benzin und
seine Teuerungsrate sind unverzichtbar und der Tierschutz,
na ja, das
machen doch eh schon so viele andere. Wie heißen sie noch
gleich, die
einen, die nach Wrestlingverband klingen und die anderen,
die mit ihren
Kuttern tausend Tonnen Diesel in die Luft blasen um tagelang
eine Bohrinsel
zu
umkreisen. WWE, WMF, WWF, Whiteboard, Greencard, Greenpeace. Sowas in
der Richtung. Dahinter stecken Leute deren Namen man nicht
kennt, von denen
man gar nicht weiß, ob sie als Kind Steine nach Enten
geworfen haben. Heute
sind das alles Antis. Vordergründig. Damals waren die
Verderbten also
vordergründig bieder und heute tun die Verderbten also
Bieder, sind aber
vordergründig Anti? Odenwaldpädophilenanstalt zum Beispiel.
Schwarze Schafe
gibt es ja immer auf der Weide der weißen Wolle. Da wollen
wir dem
Schildknecht Kirche mal nicht an den Karren pullern. Das
ganze Konstrukt
besteht ja aus Individuen, der Wortherkunft nach ist also
jeder Einzelne
ein Einzelner und im Gesamten erst ein Gesamtes. Da kann es
doch schonmal
sein, dass einer der Einzelnen lieber mal den Spatz in der
Hand hält. Ist
eben ein Anti. Antirestriktive Konservativobszönität nennt
der das, weil er
sich fragt warum er als Katholikenvertreter nicht
verheiratet sein und
Kinder zeugen darf, wenn es die Neger in Afrika trotz
Infektionsrisiko
zwingend auf Kondome verzichten sollen und die
hilfesuchenden
Vergewaltigungsopfer an kirchlich institutionellen
Kapitalträgerkrankenhäusern nicht mal die Pille danach
kriegen. Ja, warum
eigentlich, denkt er und sagt: Pille, Pille, Pillermann, des
Knaben Piller
nehm ich ran, schleck ihm die Puperze nass, dem Knäblein
macht das
sichtlich Spaß. Zugegeben, Im Dichtrhythmus ist das nicht
gerade ausgewogen
aber in etwa zutreffenderweise das, was der Herr Antikaplan
von seinem
Antispiranten hält. Früher hat man ja das Wort Irrenhaus
verwendet, da hat
man die Verrückten einfach so lange geprügelt, bis sie
keinen Mucks mehr
machen konnten, weil ihnen der ganze Mund zugeschwollen und
die Schultern
ausgekugelt waren. Das war auch Anti. ProAnti sozusagen. Die
verrückten
Antiverrückten sind im Wesen ja immer gleich. Das mit den
Irren hatte den
Vorteil, dass die Deklassierung als solche ein
Schutzmechanismus vor
Beschwerden und Anklagen dergleichen war. Die Irren konnte
man
zwangsbesteigen, bei Tag und bei Nacht, da hat keiner das
Maul aufgemacht
und wenn, dann gab es den Kugelhammer zwischen die Zähne.
Heute ist das
schwieriger. Allüberall. Ob das nun in der Kirche so ist
oder an der Wall
Street. Jeder ist auf seine Weise Anti. Antiarm oder
Antikapitalistisch,
Antisemitisch oder Antideutsch. Wenn ich den Arm nach oben
strecke um
meiner Schnecke den großen Wagen zu zeigen, der sich da
überm Horizont
auftut, dann bin ich für das wachende Auge des Zentralrats
der Juden ein
Nazienkel und ich sage dann, Nee, Quatsch mit Soße, ich bin
Antisemitistisch. Dann gucke ich kurz doof aus der Wäsche
und korrigiere,
Nee, da habe ich mich falsch ausgedrückt. Ich will meiner
Schnecke nur den
großen Wagen zeigen, sage ich dann und dann brummel ich vor
mich hin, Ey,
das mit dem Anti ist echt sche_isse. Egal wogegen man Anti
ist, man hat
immer seinen Feind. Ich lasse meine Schnecke dann auf dem
Parkplatz stehen
und fahre allein zurück. Ich habe beschlossen ProAntiAnti zu
werden. Ich
fange bei meiner Alten damit an. Kann ja heimlaufen, die
Schnecke. Ich
grinse also zufrieden vor mich hin, schiebe eine CD von The
Smiths in den
CD-Player (kennen die Jüngeren unter Euch bestimmt gar nicht
mehr, geht mal
auf YouTube youtuben!) und fühle mich für zehn Minuten
völlig befreit. In
diesem Augenblick ist es dann doch wieder schön Anti zu sein.
Knipp im März 2013