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Buntfarbige GeSellschaftsanekdoten (armani-Anzug / Siemens-Aufzug)

/ Evaluation eins2.09

18./19.02.2009

Ich war in einem meiner früheren
Leben Klavierlehrer in Salzburg.
Heute bin ich von Kopf bis Fuss
behaart, benutze aber regelmäßig
Kaltwachsstreifen. Ich habe nicht
sehr viele Freunde. Aber das ist
mir egal. Ich beabsichtige, mir
einen Hund zu kaufen. Meine Frau
bleibt aus Mitleid bei mir. Obwohl
sie keinen Hund möchte. Sie möchte
ein eigenes Auto. Aber das kann ich
ihr nicht kaufen. Weil ich das Geld
lieber in den Puff trage.

Dreimal im Jahr male ich mit bunten
Farben auf synthetische Malgründe.
Die Plastikscheiben drücke ich
anschliessend auf mein Genital oder
Gesäß. Dann verschmiere ich alles
mit einem Lappen. Zweimal im Jahr
schreibe ich eine Geschichte, die
zwischen fünf Zeilen und
einhundertachtzig Seiten lang ist.
Das meiste ist naiv und vulgär. Die
besten Stellen markiere ich mit
einem Filzmarker, dann räume ich
alles in den Keller. Einmal im Jahr
nehme ich eine CD auf. Ich klopfe
auf das Emaille der Badewanne oder
schabe über die Regenrinne und
bohre mit der Bohrmaschine Löcher
in meine Wade. In der Zeitung
nennen sie mich Geräuschvirtuose.
Ich fühle mich geehrt und
ejakuliere vor Freude einen
Sonnenaufgang in meine Hand.

Samstagsabends sitze ich
stundenlang auf dem Gäste-WC und
lese Bücher. Seite um Seite lese
ich, suche die bunten Bilder und
stelle ganz am Schluß fest, dass
ich keinen Comic in der Hand hielt.
Enttäuscht lege ich das Buch
unter den Wasserhahn und schaue zu,
wie die Seiten aufquillen. Ich
putze mir den Hintern ab, betätige
die Spülung, verlasse das Gäste-WC.
Samstagabend.

In meinem Kühlschrank generiere ich
ein totalitäres Ökosystem. Ich bin
darauf bedacht, dass es ohne
fremden Einfluss
funktioniert. Das verlangt viel
Überlegung und schöpferische Kraft.
Oft sitze ich Abend um Abend
vor meinem Refrigerator und zeichne
einen groben Aufriss der
Arrangements oder mache mir Notizen
über notwendige Kulturen, die für
ein funktionierendes Ökosystem
wichtig sind.

 

11.02.2009
Zu sechs Zeiten ohne Tag

Um punkt acht Uhr morgens, nicht früher und nicht später, kommt einer, der
sieht aus wie der Zwergenbruder Gunter von Hagens, wiegt 25 Kilogramm und
hat keinen Hintern in der Hose. Er trabt in den vierten Stock, und stellt Fragen,
die niemand fragt.
Um punkt neun Uhr morgens, nicht früher und nicht später, fahren wir mit
der Bahn ein Zimmer weiter und frühstücken einen Haselnuß-Muffin, lachen
andere Menschen aus und streifen die Zwänge der Ist-Situation mühelos ab.
Zwanzig Minuten dauert die Schehezerade und am Ende der Orgie lachen wir
noch immer über andere Menschen aber auch über uns.
Um punkt zehn Uhr morgens, nicht früher und nicht später, steht einer in
der Küche und versucht nässende Ekzeme mit einem Buttermesser von seinem
Apfel zu schälen. Er zerfetzt den Apfel mehr, als dass er ihn schält und
das, was übrig bleibt, versucht er in Schnitzen zu hacken. Anschliessend
packt er alles in seine Tupperdose, in der auch ein belegtes Schwarzbrot
liegt.
Um punkt elf Uhr dreißig vormittags, nicht früher und nicht später,
erklingt Gekicher auf der Mädchentoilette. Eine Frau mittleren Alters, die
Spuren der Gebährfreude um die Hüfte geschlungen, und eine Frau gehobenen
mittleren Alters, verbittert und desinteressiert, albern sich in die
Toilette und schauen sich beim pinkeln zu.
Um punkt vierzehn Uhr mittags, nicht früher und nicht später, komme ich in
ein Büro, in dem sechs Menschen auf zwanzig Quadratmetern sitzen und noch

nie in ihrem Leben ein Fenster geöffnet haben. Abends kommen diese sechs

Menschen
in Ihren Wohnungen an und stinken nach sich.
Um punkt sechzehn Uhr, nicht früher und nicht später, rennen androgyne
Erzkonservative und leise Geheimnisvolle aus der Tür. Zu dem
Zeitpunkt sind schon seltsame Vögel und wirre Gezeichnete
durch die selbe Tür verschwunden. Etwas später geht noch eine betont
Lässige. Zurück bleiben Düfte, Spuren und ich.


10.02.2009
Gehirnkamasutra mit sieben Streichern ohne Violine

Am Tag als Conny Kramer starb war ich nicht acht Jahre alt, aber meine
Hämorrhoiden hingen mir zum Halse heraus und die Wolken am Himmel hingen
ihre Zungen bis Mittags tief auf den Boden. Nass leckten sie alles und die
Menschen warfen ihre Kleider von sich und krochen und robbten und rollten
nackend über den Asphalt. Taten sich lecken lassen.
Meine Nachbarin, verheiratet, zwei Kinder, fast vierzig, statistisches
Klischee, hat einen Liebhaber, eine Affäre, fremden Sex. Vielleicht hat ihr
Ehemann auch einen Liebhaber, oder eine Geliebte oder fremden Sex. Das ist
die Evolution der Ehe. Man sagt liebevoll Mausi, Engel, Prinzessin, aber
eben nicht mehr zum Ehepartner sondern zu dem, der fremden Sex mit einem
macht.
Eine andere Nachbarin, verheiratet, zwei Kinder, Mitte dreissig,
statistisches Klischee, wünscht sich einen Liebhaber, in ihren Augen steht
der Verzehr nach fremdem Körperduft, nach Liebhaberei, nach Wollust, nach
Sex. Vielleicht hat auch ihr Ehemann einen Liebhaber, eine Geliebte,
fremden Sex oder er wünscht es sich. Das ist die Evolution der Ehe.
Die namenlose Braut kommt spät und geht früh, sie sitzt prinzipiell 52
Minuten am Tisch, nicht mehr und nicht weniger, gewöhnlich wären dreißig.
Streßfreies Leben ohne Barriere. Sie schaut aus dem Fenster, sieht Wolken
ziehen und blickt verträumt in die Leere. Sie wird alt und blass und wartet
auf das Auto, auf den Wagen, der sie mitnimmt. Sie wartet auf das moderne
Märchen.
Die vierte Person ist Fanatiker. Fanatisch. Horizontbeschränkung ohne
Ambition zur Erweiterung. Eingezwängt in klassische Muster des Seins
zwischen Briefmarken, Münzen, Sport und dem Traum vom Sportwagen,
vielleicht träumt sie auch von sportlichem Sex. Vielleicht träumt sie auch
von nichts außer von Spielern. Vielleicht ist sie eine der Personen ohne
eigene Träume.
Der Neue ist gehemmt. Er lässt sein Potential einmal die Woche erkennen. In
einem kurzen Anflug von Extrovertiertheit. Der Rest ist ein Gefangener, der
hinter seinen Augen sitzt. Ich kann ihn dort sehen, wie er zappelt und
rudert und brüllt. Er will ausbrechen, doch die Umgebung, das Umfeld, die
Welt wehren sich, lassen nichts zu. Er aber will ausbrechen, denn alles
andere verhieße zerbrechen.
Die alte Dame gibt sich galant. Niemand kennt sie, denn sie ist nicht da.
Etwas von ihr, etwas an ihr bewegt sich in unserer Mitte. Dies aber ist ein
Nichts, dass keine Interpretation, keine Deutung und keinen Blick zulässt.
Sie ist nicht da. Vielleicht hat sie nichts um da zu sein, eine alte
galante Dame, die sich vor langer Zeit vergeben hat und die sich vor langer
Zeit vergessen hat.


19.01.2009
Die Manifeste des deutschen Menschleins

Gehirnsichtung am frühen Abend. Irgendwo an irgendeiner Landstrasse. Kurve,
Gas, Fuß, Crash. Oder: Hammer, Meißel, Opfer. Möglich ist alles,
das Ergebnis bleibt gleich. Irgendwo, irgendwann.


08.01.2009
Ich male Charles Bukowski. S/M-Poesie auf Leinwand. Und dann nenne ich das
Werk "Morgenlatte at High Noon" und statt Gary Cooper steht ein Schwanz auf
der Strasse und später denunzieren mich und mein Werk wieder einmal alle
auf Schwänze. Denn so war es schon immer und so wird es immer sein. Die
Macht und Bedeutung des Schwanzes ist folglich nicht von der Hand zu
weisen. Ich bin für alle der Schwanzmaler. Meine Schwänze sind also etwas
Großes, etwas Gewaltiges, etwas Nachhaltiges. Meine Schwänze sind der Gary
Cooper der Ölmalerei.

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