Nillenkäse
Pseudopoppaste kann man es auch nennen und
schreiben kann sowas seit Jan Off und Dirk Bernemann ja wirklich jeder. Das
Geheimnis geht so: Du machst
nach der Hälfte des Satzes einen Punkt und
beginnst einen neuen Satz. Zwischendurch bemühst Du Dich verballiterarisch
und am Besten kommst Du auch mal
Aggro rüber. Fertig ist das
Anti-Geschreibsel. Und wenn es Anti-Pop werden soll, nimmst Du das berüchtigte
Pop on top: nämlich Dein
Leben und daraus rezitierst Du dann. Das ist dann
so zielorientiert, dass
jeder Leser, der erkennt, dass er voll
Dein Leben lebt,
voll pro auf Dein Anti
eingeht. Dabei ist Anti eigentlich der falsche
Begriff. Oder ich habe das mit dem Anti nie verstanden. Oder man hat bei der
Ernennung der Antilope einfach
geschludert. In zehn Jahren ist es ein viertel
Jahrhundert her, dass ich im
postpubertären Samenstreuungswahn den
Industriesoldaten erfunden habe.
Erfunden habe ich ihn natürlich nicht. Der war
schon da. Ich habe ihn
einfach nur beschrieben. Ihn. Oder mich. Oder
Dich. Damals ging es um den
Rhythmus des Lebens. Aber damals habe ich Rhythmus
auch noch ohne 'h' an
zweiter Stelle geschrieben. Rhythmus sah dann aus
wie: Rythmus. War für
mich völlig einleuchtend und Autokorrektur gab es
auf meiner elektrischen
Schreibmaschine auch nicht. Aber man lernt nie
aus. Heute mache ich es
besser. Und wenn ich gefragt werde wie der
Industriesoldat funktioniert,
dann sage ich immer noch, betrachte Dein Leben
oder guck Dir meins an
und Du weißt wie es geht. Das ist nicht schlimm
und das ist nicht Anti.
Noch ungefähr vierzig Jahre und dann geht das
langsam los mit dem Tod und
dann stehen immer einige da und sagen, die Zeit
ist so schnell vorüber
gegangen. Es liegt nicht am mangelnden Mitleid
wenn ich behaupte, dass es
nicht um die Rasanz geht. Es geht um
die Füllung. Wie bei
gutem Essen. Verschlinge Dein Sein und genieße es,
weil die Roulade des Lebens lecker
gefüllt ist. Aber kotze und klage,
wenn nichts als Smegma aus
der Rinderscheibe Deines Daseins tropft. So
funktioniert das auch, wenn Du
Dein Leben rezitierst. Setze Meilensteine und
erlebe das Erlebbare, dann
ist die Zeit nie zu schnell vergangen. Aber setze
Dich auf die Couch und
erlebe bloß eine Geräuschkulisse, wenn das
Störobjekt von Partner
mit Sprengstoffkleber auf die Keramikschale unter
seinem Hintern losgeht,
dann ist eben alles zu kurz. Das ist jetzt echt
kein Slam Poetry oder so.
Das sind die
Fakten des echten Lebens. Falls Du es nicht glaubst,
recherchiere
mal
in der Apotheken-Umschau oder frage Deinen Therapeuten. Die haben da
alle Wahrheiten
gesammelt Jetzt stellt sich nur
noch die Frage, gilt das auch für Vegetarier und,
noch schlimmer, für
Veganer. Das Zeitempfinden des
Gemüseverkostungskomitees lässt sich ja nun
schlecht mit einer Rinderroulade vergleichen.
Vielleicht kann man für die
Herrschaften von der Antifleischdelegation eine
Paprika füllen. Mit
irgendwas das nicht Smegma ist und deswegen ganz
gut schmeckt. Apropos:
Wenn ich so von Smegma und Vegetariern schreibe,
drängt sich die Frage auf:
Könnte dieses weiße Zeug, das da in der Hausmacher
Leberwurst enthalten ist
und als Fett deklariert wird, könnte das auch
Smegma sein? Und noch
wichtiger finde ich die Frage: Haben Veganer
moralische Bedenken, beim
Fellatio Nillenkäse zu verkosten? Bevor ich hierzu
eine Antwort finde, denn
jetzt habe ich Hunger bekommen, gehe ich erstmal
eine Knackwurst essen.
Guten Appetit.
Knipp 11/2013